Der ZUKUNFTSMISCHER

oder: wie ein Kunstprojekt von der eigenen Idee eingeholt, aber nicht überholt wurde – Ein Rückblick

Im Jahr 2019, dem Feierjahr der Stadt Neu-Ulm, hatte ich die Möglichkeit, zusammen mit der befreundeten Künstlerin Claudia Roeper, das Kunstprojekt „Zukunftsmischer“ im Stadtgebiet Neu-Ulm als freizugängliche Außeninstallationen zu realisieren. Leitmotiv dafür war mein Gedicht „Dunkelblind“.

Der Zukunftsmischer war angetreten, die Zukunft in ihre Bestandteile zu zerlegen. Die Vergangenheit, als das Unveränderliche, die sich selbst erkennende Gegenwart und die Zukunft als unbestimmte Kraft, die abgetrennt von dem Gewesenen und dem Jetzt, doch genau im selben Moment bereits beginnt und die, sofern sie rechtzeitig erkannt wird, die Chance auf Veränderung in sich trägt.

Im Wesentlichen war dies unsere Idee und so entstanden drei Kunstobjekte, die entlang des Donauufers, für Gespräche von wildfremden Menschen miteinander sorgten, für Innehalten, für Verständigung und Gemeinsamkeiten, für längeres oder kürzeres Verweilen, für Interaktion, manchmal auch nur für ein Lächeln im Vorübergehen, in jedem Fall jedoch wurden die Installationen wahrgenommen.

Es war ein kommunikatives Projekt, das uns, über die eigentliche Vorarbeit der Projektierung und Ausarbeitung hinaus, einiges abverlangte. Denn Kommunikation beinhaltet eben nicht nur eine positive Auseinandersetzung und Bejahung, sondern sie erstreckt sich von der Respektlosigkeit bis hin zur Herabwürdigung und zu purem Vandalismus.

Bezeichnenderweise hatte das Ausstellungsstück der Vergangenheit, eine Betonbank mit Leuchtwürfel und dem Gedicht „Dunkelblind“ nur kleinere Kratzer abgekommen. Der Spiegel und die Sitzelemente der Gegenwart wurden bereits in den ersten Wochen ihrer Präsenz fast vollständig zerstört. Und die Zukunft war ständigen Anfeindungen ausgesetzt. Mehrfach mussten die Klapptafeln vom Geländer an der Donau in mehrstündigen Aktionen abmontiert, repariert oder ausgetauscht und anschließend wieder angebracht werden.

„Es ist wie im richtigen Leben“, sagten wir uns „man bekommt Narben, man ärgert sich, manchmal sagt man sich, dass man keinen Bock mehr hat, aber dann kämpft man weiter gegen Intoleranz und Dummheit und für das Leben und den Mut. Dafür lohnt es sich.“

Eines hat der Zukunftsmischer mehr als verdeutlicht:

Kunst im öffentlichen Raum ist eine Herausforderung, denn sie macht Kunstobjekte und auch Künstler gleichermaßen angreifbar, aber sie muss gemacht werden, auch wenn sie bemalt und beklebt, zerstört oder missachtet wird, denn sie offenbart sich als ein wunderbarer Vorschlag zur Denkmöglichkeit.

Zukunftmischer - Aufkleber
Zukunft-Klapptafeln: Frage bei Tag
Zukunft-Klapptafeln: Frage bei Nacht
Zukunft-Klapptafeln: Frage bei Nacht
Vergangenheit-Betonbank bei Tag
Vergangenheit-Betonbank bei Nacht
 
Gegenwart-Spiegel bei Nacht
 
 

Dunkelblind

Suche ich in der Weite,
Hör‘ Stimmen ich, schreien Münder, finde Lippen nicht.
Suche im Nebel ich,
Tönen Schritte, schau‘ die Füße nicht.
Suche ich in der Nacht,
Gestalten schätzend, die nicht umschlingen ich kann.
Suche ich ab die Ferne,
Verirr‘ mich auf der Flucht.

Wandere ich durch die Nähe,
Ahnt meine Stimme, kostet meine Worte nicht.
Wandere ich im Schein,
Seht meine Richtung nicht, befühlt deren Spur.
Wandere ich im Licht,
Vermutet die Gestalt, könnt halten mich nicht.
Wandere ich hier,
Ertastet mein Herz und flieht vor mir.

Lauft weiter im Leben.
Dunkelblind

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